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Wer glaubt noch an Studien?

AZ - Kommentar 10.3.2011 In der Stadt Kempten soll im Jahr 2009 ein Fünftel der Schulabgänger (20,2 Prozent) keinen Abschluss geschafft haben. Kempten wäre damit Negativ-Spitzenreiter in Bayern. Dieses Ergebnis stammt aus einer Studie der Bertelsmann- Stiftung, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Ein völlig falsches Ergebnis, wie sich bei genauerem Hinsehen herausstellt.

Denn bei der Zahl der Abgänger ohne Hauptschulabschluss wurden auch Schüler eingerechnet, die eine Förderschule besuchen. Und da Kempten eine zentrale Rolle in der Region als Schulstadt einnimmt, gibt es eine ganze Reihe von Förderschulen – für Lernförderung, geistig behinderte oder körper- und mehrfachbehinderte Kinder und welche mit emotional-sozialem Förderbedarf. Diese Kinder erhalten einen eigenen Förderschulabschluss. In der Bertelsmann-Studie werden sie dagegen „ohne Hauptschulabschluss“ gewertet. Außerdem berücksichtigt die Studie nicht die Jugendlichen, die in einem freiwilligen zehnten Schuljahr oder über die Berufsorientierungsklasse ihren Abschluss nachholten. Auch Schüler, die nach der 9. Klasse von einer Realschule abgingen und beispielsweise eine Ausbildung antraten, wurden „ohne Abschluss“ gezählt. In Wirklichkeit gingen in Kempten 2009 an den Hauptschulen nur rund 3,9 Prozent der Schüler ohne Abschluss ab. Im vergangenen Jahr waren es sogar nur 2,5 Prozent oder in absoluten Zahlen: fünf Jugendliche. Eigentlich also ein großer Erfolg für die Stadt. Den sie sich auch hart erarbeitet hat. Denn bis in die Jahre 2005/2006 waren die Zahlen tatsächlich besorgniserregend und lagen bei rund 17 Prozent. Doch dann initiierten die Stadt und das Schulamt Projekte wie „Zukunft bringt’s“, in denen Jugendliche gezielt gefördert werden. Verständlich, dass die Verantwortlichen das Bertelsmann-Ergebnis als Schlag ins Gesicht empfanden. Wie kann man nur eine so undifferenzierte Studie erstellen? Aber das ist nicht das erste Mal, dass solche Untersuchungen Kopfschütteln auslösen. Immer wieder werden Erhebungen auf den Markt geworfen, die große Zweifel hervorrufen. Vor allem weil ein halbes Jahr später eine neue kommt, die ein ganz anderes Bild zeichnet. Unterm Strich schlägt das auf die Macher selbst zurück: Studien, auch wenn sie mit bekannten Namen verbunden sind, verlieren zunehmend an Glaubwürdigkeit. Sie werfen beim Betrachter sofort die Frage auf: „Wer weiß, ob das auch so stimmt?“